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Wer eine Ausbildung im Projektmanagement sucht, verirrt sich leicht im Dschungel der zahlreichen Systeme, Schulen und Möglichkeiten. Auf welche Punkte sollte man unbedingt achten?

Projektmanagement-Systeme

Keine Angst, die nachstehende Liste ist nur ein Ausschnitt aus der Vielzahl an Projektmanagement-Systemen und -Schulen:

•           PRINCE2
•           IPMA
•           PMI
•           PMBOK
•           Projektmäßiges Arbeiten
•           Projektmäßige Kreativität
•           A4 Projektmanagement
•           TOC
•           Projektmanagement an einer HBO (Fachhochschule) oder Master-Studiengang (Universität)
•           ISO 21500 Projektmanagement
•           Diverse allgemeine Ausbildungen im Projektmanagement  (nicht systemgebundene) an verschiedenen           Schulen und Instituten
•           Diverse unternehmens- oder branchenspezifische Systeme wie PROBAAT von KPN oder ECCS von der ESA (European Space Agency). Auch Bereiche wie die Automobil- oder die Pharma-Industrie handhaben eigene Regeln für das Projektmanagement
•           System-Engineering (V-Modell)
•           Value Based-Projektmanagement
•           Earned Value (Projekt-)Management
•           ...

Um es noch etwas komplexer zu machen, gibt es auch noch das Agile-Projektmanagement mit u. a. diesen bekannten Namen:

•           Agile
•           SCRUM
•           DSDM ATERN
•           Extreme programming
•           Crystal Clear
•           Scaling agile (das wiederum aus ca. 20 verschiedenen Systemen besteht: Spotify, SAFE, NEXUS, LESS, usw. usw.)

Und schließlich gibt es noch mit dem Projektmanagement in Berührung kommende Management-Systeme, wie das Portfoliomanagement, das Programm-Management oder Systeme für Projektreife. Auch hierfür können wir eine ganze Liste an Schulen, Zertifikaten und Systemen aufzählen: CMMi, OPM3, P3M3, MINCE, PGM, MSP, IPM, PGMC, APgM, A4-Programm-Management, PfMfNP, EPM...

Einem Außenstehenden drängt sich der Eindruck auf, dass viele Personen und Organisationen für das Projektmanagement ein eigenes System bevorzugen. Aber ist das eine Projektmanagement-System nun so viel besser als das andere? Und sind die Ausbildungen zum Projektmanager bei all diesen Systemen und Rahmenvorgaben wirklich so unterschiedlich? Für welche Ausbildung im Projektmanagement sollten Sie sich nun entscheiden?

Erwägungen bei der Ausbildungswahl im Projektmanagement

Die Summe aller Schulen, Systeme, Rahmenvorgaben und Modelle ergibt schnell ca. 50 bis 100 verschiedene Projektmanagement-Systeme oder Rahmenvorgaben. Das ist eine Menge, aber wenn man die jeweils „eigenen“ Begriffe und Bezeichnungen unter die Lupe hält, ähneln viele System sich in ihrer Vorgehensweise und Philosophie. Anders gesagt: Wer einen guten Projektmanagement-Kurs absolviert hat oder ein gutes Buch darüber gelesen hat, kann die verschiedenen Systeme wahrscheinlich sehr schnell ergründen und damit arbeiten. Denn es ist irrelevant, ob man einen Projektabschnitt nun als „Phase“ oder „Arbeitspaket“ bezeichnet. Es läuft im Endeffekt auf das Aufteilen der Arbeit in Teile (Phasen, Arbeitspakete) hinaus. Alle vorgenannten Projektmanagement-Methoden gehen von einer ähnlichen Vorgehensweise der Arbeitsaufteilung aus.

Dennoch gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Rahmenvorgaben:

•           lineares Vorgehen oder iterative Phasierung (anders gesagt: Darf sich das Projektergebnis zwischendurch noch ändern oder nicht?): Wasserfall, Agile oder etwas dazwischen
•           Wie detailliert und ausführlich ist ein Projektmanagement-System? Handelt es sich um eine Vielzahl an Techniken, Vorgaben und Verfahren (IPMA, PMI) oder lautet die Devise eher „keep it simple“ (Projektmäßig arbeiten)?
•           Welches Maß an Aufmerksamkeit wird dem menschlichen Aspekt von Projekten gewidmet? (keine: Prince2, etwas: PMI, viel: Value Based-Projektmanagement)

Zu viel des Guten       

Die Theorie des Projektmanagements besteht mehr oder weniger aus 3 Komponenten: Strukturen des Projektmanagements (Techniken), die organisatorische Seite (Umgebung) und der menschliche Aspekt (Verhalten).

Projekt Management Komponenten 

Beispiele für Techniken: Wie macht man Planungen, wie teilt man ein Projekt in Phasen, wie sorgt man für Risikokontrolle, wie gestaltet man die Administration eines Projektentwurfs und ähnliches. Beispiele für die Verhaltenskomponente: Die Motivation des Managers und des Teams, Führungsfähigkeit, klare Kommunikation, Verhandeln, politisches Spiel, Umgang mit Widerstand usw. Bei der Umgebung geht es um die Beziehung des Projektteams zur Mutterorganisation und anderen Organisationen in der Projektumgebung. 

Bei der Auswahl einer Ausbildung im Projektmanagement stellt sich also die Frage: Was soll gelernt werden? Die verschiedenen Schulen verwenden jeweils mehr oder weniger Zeit auf diese drei Bestandteile. In jedem Fall muss man für die praktische Anwendung des Projektmanagements die Techniken kennenlernen. Daneben ist auch das Verständnis für die Beziehung des Projektteams zu seiner Umgebung wichtig. Aber der vielleicht wichtigste, allerdings auch der komplizierteste Lerninhalt, ist der menschliche Aspekt von Projekten. 

Projektmanager sind Leute, die in Strukturen denken. Das lässt sich an der Art und Weise erkennen, in der viele Systeme den Unterrichtsstoff für das Projektmanagement ebenfalls in eine Struktur bringen: Man führt ein Projekt in 7 Phasen durch, eine Risikoanalyse in 3 Schritten, ein Meeting muss 5 Phasen durchlaufen, eine Verhandlung ebenfalls 5 Phasen, es gibt 4 Führungsstile und 4 Phasen der Demotivation von Menschen, usw. Diese Methode basiert auf dem angelsächsischen Denken. Besonders die umfangreichen Projektmanagementschulen wie IPMA und PMI sind geneigt, „aus allem“ einen Stufenplan, ein Ablaufdiagramm, ein Flowchart oder ein anderes Schema zu machen. Vor allem beim Erlernen der menschlichen Aspekte des Projektmanagements ist es fraglich, ob diese Herangehensweise vernünftig ist. Denn menschliches Verhalten lässt sich selten in Diagrammen oder Stufenplänen erfassen.

Auch aus einer Promotionsarbeit von Nicoline Mulder und der Forschungsarbeit von Prof. Van Aken von der TUE geht hervor, dass ein Übermaß an Strukturierung bei Projekten nur kontraproduktiv wirkt. Dennoch setzen die bekannten Projektmanagementschulen auf mehr Struktur als Lösung für einen besseren Projektablauf. PRINCE2, PMI, IPMA, aber auch die Systeme für Projektreife scheinen als Antwort auf alle Unwägbarkeiten von Projekten nur immer weitere Vorlagen, Modelle, Stufenpläne und Verfahren vorzuschreiben.  

Die Agilisten unter uns (SCRUM, XP, Chrystal clear) werden dagegen einwenden, dass ein Projektplan möglichst einfach gehalten werden muss. Aber man kann Agile nicht überall anwenden, und bei großen Agile-Projekten (mit vielen Teilnehmern) werden die zusätzlichen Regeln und Verfahren doch wieder hervorgeholt, damit auch große Teams 

zusammenarbeiten und untereinander kommunizieren können.

Oberflächlichkeit droht

Vielleicht ist man geneigt, sich nun auf die Suche nach dem ausführlichsten Projektmanagementsystem zu machen. Denn je mehr in einem System oder in einer Prüfung enthalten ist, umso besser. Oder vielleicht doch nicht? Das Standardhandbuch zur Vorbereitung auf die IPMA-Prüfungen umfasst nicht weniger als 645 Seiten. Das System besteht aus 29 Kompetenzfeldern, 5 zur Umgebung, 10 zum Verhalten und 14 zum Projektmanagementfach. Ein durchschnittlicher IPMA-Kurs dauert meist etwa fünf Tage. In dieser kurzen Zeit muss das alles behandelt werden. Wie viel Zeit und Raum bleibt dann für die Vertiefung? Meetingtechniken werden auf gut drei Seiten behandelt. RET-Psychologie auf zweieinhalb Seiten. Planung auf dem kritischen Weg auf etwas über drei Seiten. Weil IPMA so umfassend ist und der Neigung fröhnt, aus allem eine Struktur zu machen, lässt es sich nicht vermeiden, dass der Unterrichtsstoff auf das Auswendiglernen von Mustern und Listen reduziert wird. Dies trifft man auch bei PMI an, wobei die Bücher vielleicht noch dicker sind (es gibt ohnehin viele Überschneidungen zwischen IPMA und PMI). Die Erfahrung zeigt, dass erfahrene Projektleiter die Listen, Stufenpläne und Muster selten bis nie verwenden. Vielleicht ist der Stoff für Anfänger nützlich, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man diese Inhalte (von IPMA und PMI) in der praktischen Nutzung kaum benötigt.

Prüfungen im Projektmanagement

Wer Zweifel an einer Projektmanagementschule hat gut tut daran, sich einmal die Prüfungen und Zertifikate anzuschauen. Für PMI stehen im „Netz“ Übungsaufgaben zur Verfügung, die aus 1.000 Multiple Choice-Fragen bestehen. Wer in der Lage ist, alle Fragen zu beantworten, ist für das offizielle PMI-Zertifikat reif. Die PRINCE2-Prüfungen bestehen ebenfalls aus Multiple Choice-Fragen. Davon sind nur weniger im Umlauf, da sie offiziell auch nicht außerhalb der anerkannten PRINCE2-Büros bekanntgegeben werden dürfen. Aber mit dem nötigen Know-how lassen sich die PRINCE2-Prüfungsfragen ohne Weiteres im Internet finden. Zwei Beispiele für PRINCE2-Prüfungsfragen:

Wenn der Projektleiter ein Problem entdeckt, bei dem die vereinbarte Toleranz eines Arbeitspakets überschritten wird, dann muss er welche Maßnahme ergreifen?

 A. Notiz im Risikologbuch machen

B. Ein Projektthema einreichen

C. Das Arbeitspaket anpassen

D. Einen Abweichungsbericht erstellen 

Was ist KEIN Bestandteil des Prozesses „Arbeitspaket annehmen“? 

 A. Übereinstimmung mit der Produkttoleranz 

B. Einen Teamplan erstellen 

C. Verständnis für den Bedarf zur Berichterstattung 

D. Einen Fortschrittsbericht erstellen 


Hier zwei Beispiele aus der PMI-Prüfung:

Das Versenden von Schreiben, Memos, Berichten, E-Mails und Telefaxen zum Teilen von Informationen ist ein Beispiel für welchen Kommunikationstyp?

•           A. Direkt

•           B. Interaktiv

•           C. Pull

•           D. Push

Ein Projekt Charter ist ein Ergebnis welcher Prozessgruppe?

•           A. Durchführung

•           B. Planung

•           C. Anstoß

•           D. Abschluss

Die (rhetorische) Frage lautet: Führen derartige Prüfungen zu besseren Projektleitern? Sind Sie als angehender Projektleiter nicht viel zu sehr mit dem Auswendiglernen von Listen und Verfahren beschäftigt? 

PRINCE2-Modell. Quelle: Wikipedia

Anerkannte Projektmanagement-Ausbildungen

Viele angehende Projektleiter möchten eine „anerkannte“ Ausbildung absolvieren. Die schwierige Frage dabei ist: Anerkannt von wem? Es gibt reichlich Auswahl...Einige der vielen vorgenannten Projektmanagementschulen und -systeme erteilen Zertifikate für Projektleiter (PRINCE2, IPMA, PMI, DSDM, SCRUM, MSP) und manchmal auch für ganze Organisationen (insbesondere die Systeme für Projektreife). Fast möchte ich sagen, glücklicherweise gibt es auch viele „freie“ Methoden, die nur ein System in einem Buch beschrieben haben und/oder Kurse ohne Zertifikat veranstalten (Projektmäßiges Arbeiten, XP, Projektmäßige Kreativität u.a.). Die Kosten für ein Zertifikat können sich nämlich addieren. Aber problematischer bei Zertifikaten ist es, dass die Prüfungen sehr stark auf das Reproduzieren von Verfahren, Stufenplänen, Diagrammen, Flowcharts und Abläufen ausgerichtet sind. Oft in Form von Multiple Choice-Prüfungen. Wären Projekte in der Praxis nur so einfach.

Fazit

Wenn es um die Wahl einer Ausbildung im Projektmanagement oder um die Auswahl eines Systems für Ihr Unternehmen geht, ist mehr oft nicht gleichbedeutend mit besser. Die KISS-Philosophie (Keep it Stupid Simple) gilt sicher auch für Projekte. Für die meisten Menschen reicht eine allgemeine Ausbildung von wenigen Tagen im Projektmanagement oder projektmäßigem Arbeiten gewiss aus, um Projektleiter werden zu können. Weil die Grundlagen des Projektmanagements bei allen Systemen sehr ähnlich sind, gibt es einen viel höheren Grad an Austauschbarkeit, als die Vielzahl der Systeme und der jeweiligen Zertifikate glauben machen möchte. Wer einen Kurs in projektmäßigem Arbeiten absolviert hat, wird sich schnell in einer PRINCE2-ähnlichen Umgebung zurechtfinden und umgekehrt. Nur der Agile-Projektmanagementansatz ist wirklich fundamental anders und nicht mit dem „normalen“ Projektmanagement austauschbar.

 

Wer eine zertifizierte Ausbildung wünscht, sollte sich für PRINCE2, IPMA oder PMI entscheiden. Manchmal hat auch das Unternehmen schon die Auswahl für Sie getroffen und erwartet, dass alle Projektleiter ein Zertifikat in diesem vorgegebenen System erwerben.

Schulen, die eine Projektmanagement-Ausbildung anbieten:

•           www.projectmanagement-training.net (allgemeines Projektmanagement und Agile)
•           PMI & PRINCE2 & IPMA

Autor dieses Artikels ist Wouter Baars. Wouter ist freiberuflicher Projektmanagement-Berater bei www.projectmanagement-training.nl

 

 

  

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